Ramelow: In Thüringen gab es einen Häutungsprozess. Den hat Herr Höcke systematisch betrieben. Und das, was übrig geblieben ist, ist aus meiner Sicht mittlerweile eine im Jargon der 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts, im Endjargon der Weimarer Republik agierende Partei. Das Parlament wird zur "Quasselbude" degradiert. Alle Parteien werden zu "Altparteien" klassifiziert. Und es ist so, dass beim Auftreten von Herrn Brandner - das ist der Spitzenkandidat zur Bundestagswahl - erst mal alle im Saal beleidigt werden - von CDU bis zu uns, einmal reihum. Man gibt sich dort nicht mal mehr die Mühe, irgendeine Fassade aufrechtzuerhalten. Und Herr Gauland hat gerade am "Kyffhäuser", also in Thüringen, eine Rede gehalten, bei dem er fordert, man solle stolz sein auf die Taten der Soldaten im Ersten und im Zweiten Weltkrieg. Das ist im gleichen Duktus wie Herr Höcke, der die 180-Grad-Wende im Gedenken wollte und der auch das Holocaust-Mahnmal in Berlin eher mit dem Begriff Schande belegt hat. Und da war ich sehr einverstanden, dass der Landtagspräsident, Herr Carius, an dem Tag danach Herrn Höcke aufgefordert hat, das klarzustellen.
Und am Tag des Holocaust-Gedenken, als die Überlebenden von Buchenwald im Plenarsaal saßen, hat Herr Carius ganz deutlich gemacht, er bittet Herrn Höcke, den Saal zu verlassen. Und anschließend hat Herr Höcke auch in Buchenwald während der Kranzniederlegung der Häftlinge Hausverbot erhalten. Er ist zwei Stunden gebeten worden, nicht Buchenwald zu betreten, weil es eine Zumutung an die Überlebenden wäre, wenn sie erleben müssen, konfrontiert zu sein mit jemandem, der sagt, das könne man doch alles unter den Teppich kehren. Also, die letzten Überlebenden von den verbrecherischen Vernichtungslagern sind noch nicht unter der Erde, und es sind deutsche Abgeordnete, die auf einmal sagen: 'Ach, es lohnt sich doch nicht mehr, darüber zu reden.' Aber, wer die Konzentrationslager ins Vergessen geben will und nur noch auf Goethe und Schiller sich kaprizieren möchte, der möchte die deutsche Verantwortung nicht in seiner ganzen Ausprägung, also mit all den schrecklichen Teilen mehr dokumentiert sehen. Und, wenn Gauland noch die Wehrmachtssoldaten loben will, dann will er damit indirekt auch Adolf Hitler loben. Und das halte ich für einen groben Weg in die ganz falsche Richtung.
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Das ist der konservative Kern, der ursprünglich mal in der Union gesteckt hat. Also, Franz Josef Strauß hat immer gesagt: 'Rechts von CDU/CSU ist die Wand.' Und jetzt ist da nicht die Wand, sondern eine sehr lebendige, schillernde, braun changierende, blau angemalte, teilweise mit faschistoiden Tendenzen versehene neue Partei, die die Schnittmengen in alle nationalsozialistischen Strukturen und in alle NPD- und neonationalsozialistische Strukturen hinein lebt und auch praktiziert.
Zeitgeschehen
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